Deutsche STI-Gesellschaft
Sektion Leitlinienarbeit
Übersicht
Sektion Leitlinienarbeit der Deutschen STI-Gesellschaft
Medizinische Leitlinien dienen dem Transfer aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Beratungs- und Behandlungspraxis. Die Sektion Leitlinienarbeit der Deutschen STI-Gesellschaft wurde 2011 gegründet. Unser Ziel ist es, die Erstellung methodisch hochwertiger und interdisziplinärer Leitlinien zur Diagnostik, Behandlung und Nachsorge sexuell übertragbarer Infektionen zu fördern, ihre Implementierung und den Zugang zu verbessern.
Die Sektion Leitlinienarbeit der Deutschen STI-Gesellschaft wird geleitet von
PD Dr. med. Ricardo N. Werner
Charité -Universitätsmedizin Berlin
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Division of Evidence-Based Medicine (dEBM)
Kontakt: ricardo.werner@charite.de
Prof. Dr. med. Helmut Schöfer
Helios Dr. Horst Schmidt Kliniken Wiesbaden
Deutsche Klinik für Diagnostik
Kontakt: helmutschoefer.ni@gmail.com
Als zertifizierte Leitlinienberater der AWMF beraten wir in methodischen Fragen und koordinieren Abläufe zur Qualitätssicherung der Leitlinien, an denen die DSTIG beteiligt ist.
Leitlinien zur sexuellen Gesundheit – News
S1-Leitlinie „Kaposi-Sarkom“
Das Kaposi-Sarkom ist eine relativ seltene, von den lymphatischen Endothelzellen ausgehende, bösartige Erkrankung, die vor allem Haut und Schleimhäute, aber auch innere Organe befallen kann. Fast alle Kaposi-Sarkome werden durch das humane Herpes Virus 8 (HHV-8) verursacht und es werden verschiedene epidemiologische Subtypen der Erkrankung unterschieden, die einen unterschiedlichen Verlauf und Prognose aufweisen. Die S1-Leitlinie zum Management des Kaposi-Sarkoms enthält neben umfassenden Empfehlungen zur initialen Diagnostik und Ausbreitungsdiagnostik sowie zur Therapie der verschiedenen Subtypen auch Angaben zur Epidemiologie und Prognose. Auch zur Nachsorge der verschiedenen Subtypen werden Empfehlungen spezifiziert.
Förderung der S3-Leitline „Management der Urethritis bei männlichen Jugendlichen und Erwachsenen“ / S3-MUM durch den Innovationsausschuss des G-BA
Erreger der Urethritis (u.a. Gonokokken, Chlamydien, Mykoplasmen) gehören zu den häufigsten sexuell übertragenen Infektionen. Je nach verursachendem Erreger kann es zu unterschiedlich ausgeprägten Manifestationen kommen, allerdings ist weder die Unterscheidung der Erreger noch der Ausschluss von Koinfektionen alleine aufgrund anamnestischer und klinischer Merkmale sicher möglich. In der praktischen Versorgungssituation ist jedoch im Regelfall, noch vor Erhalt des mikrobiologischen / laborchemischen Erregernachweises, die Einleitung einer kalkulierten antibiotischen Therapie indiziert. Ziel der Erstellung der S3-Leitlinie mit systematischer Aufarbeitung der Evidenz (GRADE), repräsentativer Leitlinienkommission und strukturierter Konsens-findung ist die Förderung einer integrativen, Erreger-übergreifenden Herangehensweise unter Berücksichtigung der Epidemiologie von Koinfektionen und der Suszeptibilität/Resistenzlage relevanter bakterieller Erreger. Dies soll der komplexen Versorgungsrealität Rechnung tragen und die Heterogenität der Versorgung sowie Über-, Unter- und Fehlversorgung mit Antibiotika reduzieren.
S3-Leitlinie Analkarzinom (Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Analkanal- und Analrandkarzinomen)
Vom Leitlinienprogramm Onkologie gefördert wurde erstmals eine deutsche S3-Leitlinie zum Management des Analkarzinoms erstellt. Beim Analkarzinom handelt es sich in den meisten Fällen um eine HPV-induzierte Erkrankung. Besonders häufig betroffen sind HIV-positive und anderweitig immunsupprimierte Personen, Männer, die Sex mit Männern haben, und Personen, die bereits andere HPV-induzierte anogenitale Krebsvorstufen oder Krebserkrankungen hatten. Neben ausführlichen Empfehlungen zur Diagnostik, Therapie und Nachsorge von Analkarzinomen formuliert diese Leitlinie erstmals auch Empfehlungen zur Durchführung von Screeninguntersuchungen bei Risikogruppen. Dies erweitert die Empfehlungen der bereits bestehenden S2k-Leitlinie „Anale Dysplasien und Analkarzinom bei HIV-Infizierten: Prävention, Diagnostik und Therapie“ (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-007.html).
Leitlinien unter Beteiligung der Deutschen STI-Gesellschaft
Neben den im Folgenden aufgeführten Leitlinien publiziert und aktualisiert die Deutsche STI Gesellschaft regelmäßig komprimierte Zusammenfassung der aktuellen Empfehlungen zur STI-Diagnostik und –Therapie in Form des STI-Leitfadens für die Kitteltasche
- S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose (2023) (https://register.awmf.org/de/leitlinien/detail/015-028)
- S2k-Leitlinie Deutsch-Österreichische Leitlinien zur antiretroviralen Therapie der HIV-1-Infektion (2021) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-001.html)
- S2k-Leitlinie Medikamentöse Postexpositionsprophylaxe (PEP) nach HIV-Exposition (2021) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-004.html)
- S1-Leitlinie Kaposi-Sarkom (2021) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/032-025.html)
- S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Peniskarzinoms (2020) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/043-042OL.html)
- S3-Leitlinie Impfprävention HPV-assoziierter Neoplasien (2020) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/082-002.html)
- S2k-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Syphilis (2020) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-002.html)
- S1-Leitlinie Neurosyphilis (2020) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-101.html)
- S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Gonorrhoe (2018) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-004.html)
- S2k-Leitlinie zu Sexuell übertragbare Infektionen (STI) – Beratung, Diagnostik, Therapie (2018) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-006.html)
- S2k-Leitlinie HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-008.html)
- S2k-Leitlinie zu HPV-assoziierten Läsionen der äußeren Genitalregion und des Anus – Genitalwarzen und Krebsvorstufen der Vulva, des Penis und der peri- und intraanalen Haut (2017) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/082-008.html)
- S3-Leitlinie Prävention des Zervixkarzinoms (2017) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/015-027OL.html)
- S2k-Leitlinie zu Infektionen mit Chlamydia trachomatis (2016) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/059-005.html)
- S2k-Leitlinie HIV-Infektion, antiretrovirale Therapie (Version 8 vom 09.2020) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-001.html)
- S2k-Leitlinie Anale Dysplasien und Analkarzinom bei HIV-Infizierten: Prävention, Diagnostik und Therapie (2013) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/055-007.html)
- S2k-Leitlinie Bakterielle Vaginose (angemeldet, geplante Fertigstellung 2022) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/015-028.html)
- S3-Leitlinie Management der Urethritis bei männlichen Jugendlichen und Erwachsenen (angemeldet, geplante Fertigstellung 2023) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/013-099.html)
- S2k-Leitlinie Mykoplasmen, Ureaplasmen (angemeldet, geplante Fertigstellung 2023) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/059-007.html)
- S3-Leitlinie Diagnostik und Therapie der Skabies (angemeldet, geplante Fertigstellung 2023) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/013-052.html)
- S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der Patientin mit Vulvakarzinom und seiner Vorstufen (angemeldet, geplante Fertigstellung 2025) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/032-059OL.html)
- S3-Leitlinie Interdisziplinäre Gesundheitsversorgung für trans*, transsexuelle und nichtbinäre Menschen (Together4Trans) (angemeldet, geplante Fertigstellung 2025) (https://www.awmf.org/leitlinien/detail/anmeldung/1/ll/138-001.html)
European STI Guidelines Project
Die Deutsche STI-Gesellschaft beteiligt sich an der Entwicklung europäischer Leitlinien und ist im Editorial Board des European STI Guidelines Project vertreten.
Deutsch- und englischsprachige STI-Leitlinien anderer Länder
Die hier dargestellten internationalen Leitlinienorganisationen stellen eine Auswahl dar; es besteht kein Anspruch auf Vollständigkeit der Zusammenstellung. Internationale Leitlinien sind für die jeweiligen klinischen und epidemiologischen Kontexte und Settings konzipiert. Vor diesem Hintergrund können Empfehlungen internationaler Leitlinien von den Empfehlungen deutscher Leitlinien abweichen.
Warum Leitlinien?
In der Beratungs- und Behandlungspraxis treten sowohl für das ärztliche und nicht-ärztliche Fachpersonal als auch für die Betroffenen immer wieder Situationen auf, in denen Entscheidungen bezüglich der durchzuführenden Diagnostik und Therapie mit Unsicherheiten verbunden sind. Zugleich nimmt die Anzahl an wissenschaftlichen Publikationen zu verschiedenen Themen rasant zu – den Überblick über den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstand zu behalten erfordert einen erheblichen Zeitaufwand.
Hier setzen medizinische Leitlinien an: sie dienen dem Transfer des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands in die ärztliche und nicht-ärztliche Beratungs- und Behandlungspraxis. Nach Definition der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sind Leitlinien „systematisch entwickelte Aussagen, die den gegenwärtigen Erkenntnisstand wiedergeben, um die Entscheidungsfindung von Ärzt*innen sowie Angehörige von weiteren Gesundheitsberufen und Patient*innen/Bürger*innen für eine angemessene Versorgung bei spezifischen Gesundheitsproblemen zu unterstützen. Sie sollten auf einer systematischen Sichtung und Bewertung der Evidenz und einer Abwägung von Nutzen und Schaden alternativer Vorgehensweisen basieren.“ (AWMF-Regelwerk „Leitlinien“. 2. Auflage 2020, S. 6).
Leitlinien sind rechtlich nicht bindend, sondern stellen Empfehlungen für eine Vorgehensweise in bestimmten klinischen Situationen dar. Sie sollen transparent die Vor- und Nachteile von diagnostischen oder therapeutischen Strategien darstellen, so dass eine gemeinsame informierte Entscheidung der behandelnden / beratenden Person und der von dem Gesundheitsproblem betroffenen Person möglich wird. Bei der Entscheidungsfindung sind die Werte und Präferenzen der betroffenen Person und alle weiteren Umstände, die von Relevanz sind, selbstverständlich einzubeziehen. Daher kann und muss in manchen Situationen von Leitlinienempfehlungen abgewichen werden.
Ziele der Sektion Leitlinienarbeit
Förderung der Erstellung hochwertiger Leitlinien
Als Instrumente des Qualitätsmanagements im Gesundheitswesen sind hohe qualitative Erwartungen an die Entwicklung von Leitlinien zu stellen. Diese Erwartungen betreffen im weitesten Sinne methodische Aspekte im formalen Entwicklungsprozess, die die Unabhängigkeit, Transparenz und Validität der Leitlinien sichern sollen. Wir stehen als zertifizierte AWMF-Leitlinienberater den Leitlinienkommissionen, an denen die DSTIG federführend beteiligt ist, methodisch und inhaltlich beratend zur Verfügung. Leitlinien, an deren Neuerstellung oder Aktualisierung die DSTIG beteiligt ist, durchlaufen während des Begutachtungsverfahrens einen standardisierten Prozess der Qualitätssicherung, der durch die Sektion Leitlinienarbeit koordiniert wird.
Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit
Sexualität ist ein Bestandteil menschlichen Erlebens, der biologische, soziale / soziokulturelle und psychologische Dimensionen umfasst, die in enger Wechselwirkung miteinander stehen. Entsprechend kann eine sinnvolle medizinische und psychosoziale Versorgung im Bereich der sexuellen Gesundheit nur unter Berücksichtigung interdisziplinärer Ansätze gelingen. Dieser Aspekt findet auch in der interdisziplinären Zusammensetzung von Leitlinienkommissionen Ausdruck: eine Beteiligung der relevanten Interessengruppen einschließlich der Patient*innen-Perspektive ist unumgänglich.
Implementierung (Umsetzung) von Leitlinieninhalten und Verbesserung der Versorgung
Eines unserer zentralen Anliegen ist die Verbesserung der Implementierung von Leitlinieninhalten in der konkreten Versorgungspraxis. Neben Ansprüchen an die Unabhängigkeit, Transparenz und Qualität von Leitlinien ist daher die Förderung von Maßnahmen zur optimalen Implementierung ihrer Inhalte ein wichtiges Ziel der Sektion Leitlinienarbeit der DSTIG. Hierzu gehört etwa die Erstellung von Kurzzusammenfassungen, von Foliensätzen und von Präsentationen auf Kongressen der DSTIG durch die Leitlinienkommissionen.
Implementierung von Leitlinienwissen in die medizinische Ausbildung
Das aktuelle medizinische Fachwissen aus Leitlinien sollte nicht nur in die Praxis transferiert werden, sondern idealerweise auch in die medizinische Ausbildung, so dass Studierende aktuelles Wissen aufnehmen. Wir sind daher auch im Bereich der medizinischen Ausbildung engagiert und kooperieren mit dem Nationalen kompetenzbasierten Lernzielkatalog Medizin (NKLM) und dem Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP).
Transfer klinisch relevanter Forschungsfragen in die klinische und Grundlagenforschung
Im Zuge der Entwicklung von Leitlinien werden Wissenslücken der Forschung oftmals sehr deutlich. Im Rahmen der systematischen Aufarbeitung der Studienlage finden sich zum Beispiel zu bestimmten Fragestellungen keine oder keine ausreichend validen Studien. Wenn die interdisziplinäre Leitlinienkommission dann die zu verabschiedenden Empfehlungen diskutiert, wird mit Meinungen und Erfahrungen argumentiert. Leitlinien eignen sich sehr gut, klinisch relevanten Forschungsbedarf offenzulegen. Dieser Aspekt soll bei der Entwicklung von Leitlinien bewusst genutzt werden, um klinisch bedeutsame Forschungsfragen zu entwickeln und relevantes Wissen zu generieren.
Organisationen und Publikationen im Bereich der Leitlinienmethodik
Leitlinienmethodik und Qualitätssicherung
Die DSTIG ist als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) der von der AWMF vorgegeben Leitlinienmethodik verbunden. Als zertifizierte Leitlinienberater der AWMF verfügen wir über viel Erfahrung in der Erstellung und Koordination von Leitlinien verschiedener Entwicklungsstufen.
Wie von der AWMF vorgesehen, durchlaufen Leitlinien, an denen die DSTIG beteiligt ist vor ihrer Verabschiedung ein Begutachtungsverfahren. Im Rahmen dieses Verfahrens werden die Leitlinien durch die Sektion Leitlinienarbeit der DSTIG methodisch und inhaltlich begutachtet und kommentiert. Darüber hinaus koordiniert die Sektion Leitlinienarbeit die weitere Begutachtung durch Mitglieder der DSTIG.